Umzug der Burgerbibliothek Bern – eine Herausforderung der besonderen Art

Im Dezember 2012 machten die Stimmberechtigen der Burgergemeinde ihrer Bibliothek ein grosses Geschenk. Sie bewilligten den Umbau des Bibliotheksgebäudes, was die Situation sowohl für die Dokumente als auch für die Angestellten deutlich verbessern wird. Und natürlich sollen auch die Benutzer von einem besseren Angebot profitieren. Das Projekt ist mittlerweile erfolgreich angelaufen. Sichtbar geworden ist es mit dem Umzug an die neuen Standorte, der von Mitte September bis zum 19. Dezember letzten Jahres gedauert hat.

Vorausgegangen war dem Umzug die lange Suche nach neuen Standorten für Archivalien und Büros. Die Verwaltung, der Lesesaal und der grösste Teil der Bestände sind nun in den Räumlichkeiten der Nationalbibliothek untergekommen; die Büros im 8. Stock und das Magazin im 4. Untergeschoss. Leider war es nicht möglich, alles an den gleichen Ort auszulagern. So befinden sich die Gemälde im Zentrum Paul Klee, das Mobiliar und die Büsten in einem Aussenlager des Naturhistorischen Museums, die meisten Zunftarchive im Staatsarchiv, ein Teil der Privatarchive (Familien-, Firmen- und Vereinsarchive, persönliche Nachlässe) im Stadtarchiv und die historischen Bibliotheken sowie viele moderne gedruckte Bücher im von Roll-Areal in der Länggasse.

Damit war klar, wohin alles kommen sollte, aber noch nicht wie und durch wen. Für das „Wie“ begann schon mehr als ein Jahr vorher die Vorbereitung, indem sich eine Restauratorin ab dem Sommer 2012 mit einem 50%-Pensum um die Frage kümmerte. Sie verschaffte sich einen Überblick über Art und Zustand der Bestände, entwickelte ein Konzept für die Verpackung und die Transportarten und setzte es mit der Hilfe von Zivildienstleistenden um. Dabei war sie eine zentrale Figur für den ganzen Betrieb: mit den Betreuern der Bestände besprach sie die zu ergreifenden Massnahmen, erstellte Prioritätenlisten und koordinierte die Arbeiten der Zivis. Sie war in die Organisation des Umzugs eingebunden, half bei der Planung der Abläufe mit und diskutierte mit dem Zügelunternehmen die Art des Transports.

Die praktischen Arbeiten bei der Vorbereitung bestanden hauptsächlich aus der Reinigung und Verpackung der Handschriften, welche zu einem grossen Teil in massgefertigte, säurefreie Schachteln verpackt wurden. So können Transportschäden verhindert werden, und man gewinnt beim Aus- und wieder Einräumen viel Zeit, weil sich geschützte Handschriften leichter handhaben lassen als unverpackte. Besonders gefragt war das Wissen der Restauratorin beim Umgang mit etwas heikleren Dokumentengattungen wie etwa Pergamenturkunden, Glasplattennegativen, Siegelsammlungen, Gemälden, Pastellen, Karten und Plänen oder grossformatigen Bänden. Hier mussten individuelle Lösungen die Unversehrtheit der zu transportierenden Güter gewährleisten. Der Transport nahm auf diese unterschiedlichen Anforderungen Rücksicht; für jede Art von Gegenständen und Dokumenten musste eine eigene Verpackungs- und Transportart gefunden werden. Das geschah in enger Zusammenarbeit mit der Firma Welti-Furrer, die auf Kunsttransporte spezialisiert ist.

Die Büsten waren relativ einfach zu polstern und zu verpacken, die gedruckten Bücher konnten ohne weiteren Aufwand in speziellen Wagen transportiert werden. Auch der grösste Teil der Handschriftenbestände wurde mit geeigneten Archivwagen transportiert und bei Bedarf noch etwas gepolstert. Gegen Staub und Witterungseinflüsse umwickelte die Umzugsfirma sämtliche Wagen (mehrere Hundert!) mit Schrumpffolie. Die heiklen Bände der Bongarsiana, also der mittelalterlichen Handschriften, wurden ausnahmslos in massgefertigte Archivschachteln verpackt, die Transportwagen mit isolierenden Überzügen zusätzlich vor Klimaschwankungen geschützt. Damit konnte, rein mengenmässig, der grösste Teil der Dokumente transportiert werden.

Für einen kleineren Teil war jedoch sehr viel mehr Aufwand nötig, um Schäden und Verluste zu vermeiden. Die Urkunden wurden ebenfalls gegen Klimaschwankungen geschützt, weil Pergament sehr sensibel darauf reagiert. Zudem mussten sie, zum Schutz der Siegel, alle noch in den Archivschachteln selbst gepolstert werden. Die gerollten Karten und Pläne erhielten speziell gefertigte Kartonschachteln als Verpackung, wodurch sie stapelbar und damit auch ohne Schaden transportierbar wurden. Besonders heikel waren verschiedene Grafikbestände: Die Pastelle, von denen es eine grössere Anzahl hat, mussten vor dem Abrieb der Farbe geschützt werden; das heisst, sie erhielten Verpackungen, in denen sie fixiert sind, und in welchen der Deckel die Farbschicht nicht berührt. Die rund 20‘000 Glasplattennegative wurden in gut gepolsteren Palettenrahmen transportiert, wobei darauf zu achten war, dass der Transport möglichst erschütterungsfrei verlief. Deshalb wurden die Flächen der Palettenrollis extra gepolstert, und Welti-Furrer setzte einen luftgefederten Lastwagen ein.

Sehr viel Arbeit verursachte der Transport der Planschränke, da man diese hochkant stellen musste, damit sie durch die Türen des Magazins passten. So polsterten die Mitarbeitenden der Burgerbibliothek vorgängig alle Schubladen aus, damit der Inhalt nicht verrutschen konnte, und darüber kam ein Deckkarton, der mit Schrumpffolie fixiert wurde. Da dieses Prozedere über 400 Schubladen betraf, dauerte es seine Zeit… Für den Umzug wurden alle Schubladen vor der ersten Tür aus den Schränken herausgenommen und nach der zweiten wieder eingesetzt. Erst leer liessen sich die Gehäuse der Planschränke kippen, weil sie sonst viel zu schwer gewesen wären.

Im Verhältnis zur Menge der Objekte gab jedoch der Transport der Gemälde am meisten zu tun. Das Zentrum Paul Klee hatte zur (berechtigten) Bedingung gemacht, dass nur saubere Gemälde eingelagert werden durften. Also wurden alle vorgängig gründlich gereinigt. Für den Transport erhielt jedes einen massgefertigten Holzrahmen, in dem es speziell für Kunsttransporte geschulte Fachleute fixierten. Allein die Auslagerung der rund 250 Gemälde dauerte zwei Wochen. Nötig war dieser Aufwand nicht nur, um Risse und Löcher in den Leinwänden zu vermeiden, sondern auch, weil viele Rahmen mit kunstvollen Holz- oder Gipsverzierungen versehen sind.

Der Umzug war auch logistisch eine Bewährungsprobe, musste er doch mit demjenigen der Zentralbibliothek koordiniert werden, welche das Gebäude gleichzeitig räumte – und das mit nur einem einzigen Warenlift, durch welchen mehrere Magazingeschosse voll Bücher geleert wurden! Auch am Zielort wartete ein Hürdenlauf, ging die Anlieferung doch durch den Eingang und den Warenlift des Museums für Kommunikation und dann unterirdisch in die Räume der Nationalbibliothek. Dort musste alles noch durch ein Loch im Boden vom dritten ins vierte Untergeschoss gehievt werden. Das geschah, indem man die Paletten, Planschränke, Archiv- und Gitterwagen an einer Kette anhängte und so hinunterliess – ein vergleichsweise langsamer Vorgang, welcher gelegentlich etwas Geduld und viel Koordination verlangte, musste doch das Leergut auf dem gleichen Weg herausgeführt werden. Hier zeigte sich die Kompetenz der Umzugsfirma, welche die Herausforderungen an beiden Standorten problemlos meisterte und so einen termingerechten Ablauf sicherstellte.

Mittlerweile hat die Burgerbibliothek den Betrieb wieder aufgenommen. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es tönt: Die Direktorin schloss nach langen Verhandlungen gleich mit drei Bundesämtern, jenen für Kultur, für Bauten und Logistik sowie für Informatik und Telekommunikation, Verträge für die Nutzung von Räumlichkeiten und Infrastruktur ab. Da der Bund den Zugang zu seinen Internetleitungen aus Sicherheitsgründen nicht gestattet, musste man extra ein Glasfaserkabel von der Burgerkanzlei in die neuen Büros ziehen lassen. Für die Benutzer gibt es leider einige Einschränkungen: Es stehen nur noch vier Arbeitsplätze zur Verfügung, weshalb eine Voranmeldung unerlässlich ist. Zudem sind einige der ausgelagerten Bestände, vor allem jene im Zentrum Paul Klee und die Bücher im von Roll-Areal, bis zum Bezug des umgebauten Bibliotheksgebäudes nicht mehr zugänglich. Andere müssen aus dem Magazin im Stadtarchiv geholt oder (nach Voranmeldung in der Burgerbibliothek) im Staatsarchiv konsultiert werden. Die Mitarbeitenden der Burgerbibliothek sind aber zuversichtlich, dass sich die Einschränkungen auch für die Benutzer lohnen, weil ab 2016 im umgebauten Bibliotheksgebäude wesentlich bessere Bedingungen herrschen werden.

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