Beat Ludwig Walthard (1743-1802): Leben und Werk Auszug aus der Maturaarbeit von Elin Walthard, Kriens

Einleitung

In meiner Maturaarbeit ging es darum, die Quartalsbände der Zeitungen meines Urururururgrossvaters Beat Ludwig Walthard (1743 – 1802) zu interpretieren. Dieser stand der Französischen Revolutionsbewegung kritisch gegenüber und verlegte mit seinen Zeitungen eines der wichtigsten Widerstandsorgane überhaupt. Das Hauptziel meiner Maturaarbeit war, anhand von drei Beispielen aufzuzeigen, wie Walthard seine revolutionskritische Meinung äusserte, ohne mit der damaligen Zensurbehörde in Konflikt zu geraten. Die Arbeit umfasste schlussendlich 46 Seiten (inkl. Anhang). Zuerst stellte ich die Arbeit in einen historischen Kontext und erarbeitete ein grobkörniges Kapitel über die Französische Revolution, die Helvetische Republik und über die Situation von Bern während dieser Zeit. In einem zweiten Teil werden das Leben und der berufliche Werdegang meines Vorfahren biographisch festgehalten. Erst dann folgte der eigentliche Hauptteil, welcher sich mit den Zeitungen an sich befasst. Nebst der Analyse von drei Schlüsselbeiträgen aus seinen Zeitungen finden sich ein detaillierter Beschrieb der Zeitung sowie einige weitere Informationen. Als Hauptquelle standen mir die Quartalsbände der Zeitungen zur Verfügung sowie das Büchlein «der Berner Verleger Beat Ludwig Walthard und sein Werk» von Karl M. Walthard. Während dem Studieren der Quellen habe ich versucht, Zusammenhänge so früh als möglich zu erkennen. Vor allem bei den Zeitungsartikeln von Walthard war es wichtig, zwischen den Zeilen zu lesen. Um gewisse Lücken zu ergänzen, trat ich mit der Burgerbibliothek Bern (BBB) in Kontakt, welche mir Einblicke in die wenigen vorhandenen Dokumente über Beat Ludwig Walthard gewährte. Unklarheiten besprach ich jeweils mit meinem Grossvater Karl Walthard, der sehr belesen ist und sich ebenfalls für unsere Familiengeschichte interessiert.

Beat Ludwig Walthard: Sein Leben

Beat Ludwig Walthard ist mein Urururururgrossvater und lebte während der Französischen Revolution in Bern. Er arbeitete als Verleger von Büchern, Journalen und Kurzgeschichten. Nach dem Einmarsch der Franzosen begann er mit dem Veröffentlichen seiner eigenen Zeitung, in der er über die damaligen Geschehnisse berichtete. Walthard wurde am 26. September 1743 als Sohn des gleichnamigen Pfarrers geboren. Im Alter von 14 Jahren studierte er Theologie, begann dann aber bereits mit 20 Jahren Bücher zu verlegen. Mit dieser Tätigkeit verbrachte er den grössten Teil seines beruflichen Lebens; seine Zeitungen – «Das Berner Tagebuch» bzw. «Walthards Zeitung» – veröffentlichte er nur über eine Zeitspanne von einem Jahr. Sein Beruf verhalf ihm allerdings nicht zu finanziellem Wohlstand. Einerseits war er ein schlechter Geschäftsmann, andererseits liebte er es aber auch, Geld für die Veranstaltung von Festen auszugeben. Diese soziale Ader verhalf ihm zwar nicht zu Reichtum, dafür aber zu grossem Ansehen beim Berner Patriziat. Viele seiner Charaktereigenschaften wurden bei Freunden und Bekannten als sehr unterhaltend empfunden, allen voran vermutlich seine Schlagfertigkeit. Walthard lebte in einem sehr geordneten und rigiden Zeitalter, weshalb seine provokativen Aussagen und Sticheleien für viele eine willkommene Abwechslung zum Alltag gewesen sein mussten. Obwohl er bei seinen Mitbürgern sehr beliebt war, hatte er ein eher unglückliches Händchen, was Familie anging. Dreimal war er verheiratet, doch die ersten beiden Ehen waren nur von kurzer Dauer. Seine dritte Frau überlebte ihn. Die genauen Gründe für die beiden Scheidungen, welche für die damalige Zeit sicher ungewöhnlich waren, sind heute nicht bekannt.

Die Motivation zur Herausgabe der Zeitung

Walthard war ein grosser Patriot, dem seine Heimatstadt Bern extrem viel bedeutete. Seine Liebe zu dieser Stadt wurde 1791 noch gestärkt, als er die vollen Rechte eines Burgers erhielt. Damals gehörte er bereits zu den «Ewigen Einwohnern Berns». Ebenfalls mochte er das Leben, das er führte und genoss seine Freiheiten. Für ihn gab es nichts Schöneres, als zusammen mit seinen Freunden zu festen oder über Kunst zu diskutieren. Aus diesen Gründen ist es nicht erstaunlich, dass der Einmarsch der Franzosen ihm zutiefst missfiel. Sofort realisierte er die Veränderungen, welche die ausländischen Truppen bewirken würden. Im Unterschied zu vielen anderen Bürgern Berns war er jedoch nicht bereit, den Untergang des alten Bern zu akzeptieren und er versuchte, das alte System zu konservieren. Er entwickelte dabei einen beeindruckenden Widerstandswillen. Mit dem Wissen, dass er vorsichtig vorgehen musste, um nicht zu scheitern, tat er, was er bis dahin immer getan hatte: Er benutzte seine Schlagfertigkeit und seine Ironie, um seine Mitbürger für seinen persönlichen Kampf gegen die Eindringlinge zu gewinnen.

Eine Beschreibung der Zeitungen

Am 18. März 1798, nur 13 Tage nach dem französischen Einmarsch, erschien die erste Ausgabe des Berner Tagebuchs. Dreimal wöchentlich berichtete Walthard in seiner satirischen Kampfzeitung über die aktuellen Tagesgeschehnisse und schrieb gegen die helvetischen Behörden und gegen die Regierung. Unter anderem sind neben ausführlichen Protokollen der Sitzungen des grossen Rates in Aarau, bzw. ab September 1798 in Luzern, Publikationen diverser Gesetztexte oder Gerichtsverhandlungen und -urteile zu finden. Ebenfalls wurden einige Leserbriefe abgedruckt, zu denen die Redaktion meistens zwei bis drei Ausgaben später Stellung nahm. Interessant ist, dass beinahe alle Leserbriefe anonym abgedruckt wurden, weshalb die Möglichkeit besteht, dass Walthard diese selbst verfasst hatte. Damit konnte er anonym provozieren und seine Meinung kundtun, ohne persönlich gegen die Zensur zu verstossen. Knapp acht Monate lang funktionierte dieses Konzept problemlos, doch dann wurde die Regierung auf ihn aufmerksam. Kurzerhand wurde ihm am 4. November 1798 die weitere Herausgabe des Berner Tagebuchs untersagt. Aufgrund heftiger Provokationen im letzten Artikel des «Berner Tagebuch» könnte angenommen werden, dass er zu weit gegangen war und die Regierung ihn sich deshalb vorgeknöpft hatte. Jedoch zeichnete sich das Ende der Zeitung bereits zwei Tage vor der Veröffentlichung der letzten Ausgabe ab. Am 2. November 1798 erhielt Walthard einen Brief von einem Pfarrer namens J.J. Stapfer, angeblich einer seiner «besten und verehrungswürdigsten Freunde». In diesem elfseitigen Brief beschwert Stapfer sich im höchsten Masse über das Berner Tagebuch. Er ist entgeistert, dass die Regierung ihn bis dahin noch nicht gestoppt hatte und kritisiert Walthard in vielen Punkten. Der Höhepunkt des Briefes findet sich auf Seite zehn, auf der Stapfer die These aufstellt, dass Walthard und seine Zeitung Schuld an der Wahl der Hauptstadt tragen (Bei der Wahl der neuen helvetischen Hauptstadt (anstelle von Aarau) unterlag Bern gegen Luzern): «Wer kann es berechnen, welchen mittelbaren oder unmittelbaren Einfluss die hier gedruckten öffentlichen Blätter auf dergleichen Verfügungen und Dekrete gehabt haben? Mir ist es mehr als wahrscheinlich, dass ihr Einfluss sehr gross gewesen sei. Wenigstens ist soviel gewiss dass diese Blätter in den Sessionen beider Räthe und in den Privat-Gesprächen ihrer Glieder, als ein stark wirkender Grund von Berns Verwerfung angegeben worden sind.» Zwei Tage nachdem Walthard diesen Brief erhalten hatte, von dem sehr wahrscheinlich eine Kopie auch an die Regierung gesendet wurde, bat man ihn auf das Büro des Statthalters. Ohne Wenn und Aber wurde ihm die Herausgabe seiner Zeitung untersagt. Selbstverständlich liess der überzeugte und schlagfertige Patriot dies nicht auf sich sitzen. Am 9. Wintermonat (November), also bereits zwei Tage
nach dem Verbot, kam die erste Ausgabe von «Walthards Zeitung» heraus. Ohne jegliche Veränderungen in seiner Strategie rebellierte er für weitere vier Monate in dieser neuen Zeitung gegen die neue Regierung und die helvetischen Behörden. Deutlicher hätte Walthard seine Verachtung gegenüber der neuen Regierung und der Zensurbehörde nicht zum Ausdruck bringen können. Rund ein Jahr nach Erscheinen des ersten Zeitungsartikels musste Beat Ludwig Walthard zu seinem grossen Bedauern seine Tätigkeit als Zeitungsverleger aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten gänzlich aufgeben.

Analyse einer Schlüsselstelle

Beim Lesen der Zeitungsartikel stösst man überwiegend auf langatmige und, zumindest aus meiner heutigen Sicht, uninteressante Berichte zu den Ratsversammlungen, sowie auf detaillierteste Schilderungen der neuesten Gesetze. Ebenfalls werden die banalsten Ereignisse des Alltags geschildert, wie zum Beispiel die Ameisenplage in der Esskammer eines Bürgers. Ob solche Berichte für die damalige Zeit von grösserer Bedeutung waren als es heute scheint oder ob Beat Ludwig Walthard all diese Artikel möglicherweise nur als Platzfüller abdruckte, ist schwer zu sagen. Es kann vermutet werden, dass sie vor allem dazu dienten, die satirischen, angriffigen und mit spitzer Feder geschriebenen Leserbriefe, Gedichte oder dergleichen zu tarnen. Von diesen existieren insgesamt zwar nur wenige, doch zählen Walthards Zeitungen trotzdem zu den wichtigsten Oppositionsorganen der damaligen Zeit. Anhand eines Beispiels möchte ich aufzeigen, wie Walthard seine Meinungen und Standpunkte versteckte, um keine Probleme mit der Zensurbehörde zu riskieren.

Die Geschichte eines Bären

In der 17. Ausgabe des «Berner Tagebuch» vom 24 April 1798 druckte Walthard einen selbst verfassten Artikel mit dem Titel «Tod eines deportirten Bären, und Skitze seines politischen Lebenslaufes.» ab. Wie der Titel schon sagt, handelt es sich um einen Bären, der im Bärengraben in Bern lebte und dann von den Franzosen abgeführt wurde. Was auf den ersten Blick wie eine simple Darstellung seines Lebens erscheint, erhält eine ganz andere, politisch sehr interessante Bedeutung, wenn zwischen den Zeilen gelesen wird. «Unser gute oligarchische Pez, […] lebte in friedlicher Majestät, Jahre der behaglichsten Ruhe, im Graben seiner Väter[…] Hier tanzte er um einen Freyheitsbaum ganz eigener Art, welcher zwar ehrwürdig grünend und schattig war, aber weder den leeren Helm über sich, noch Flitterbänder um sich hatte. Jetzt ist der natürliche Wipfel der Tanne durch Kunst erhöhet, und eine Stange mit Helm und Bändern, da sie frey nicht festhielt, an dieselben festgebunden, zu diesem Behufe aber die grünenden natürlichen Aeste des Baumes, wenigstens einerseits, abgestutzet worden. […] Muss denn immer […] Freyheit auf Kosten des Glückes erkauft werden! […] Schade für ihn, dass er reich war! Jede Revolution ist was bey den Vögeln das Mausteren, bey welchem ihnen gewöhnlich die fetten Federn zuerst ausfallen. […] er war doch reich genug, eine neue Constitution zu bezahlen, folglich aristokratisch, – und musste sich mausteren. […] Er war neutral bey allen Veränderungen der Aussenwelt, sey es Indolenz oder Klugheit, oder, weil er es seyn konnte und musste, wegen den hohen Mauren, die ihn umgaben. […] Die neueste Philosophie betrachtet Freyheit als entgegengesetzt der Natur. Auch er dachte so, und musste für seine Philosophie büssen: schon recht! […]Doch selbst in seinem Innern angegriffen, konnte Brumm nur der Uebermacht unterliegen, und den Ränken des Reineken Fuchs. Dieser hatte schon ehedem kein Bedenken getragen […] jetzt gieng er ihm noch näher zu Leibe, […] Nun fieng man an, ihn durch Freyheit um seinen eigenen Willen, den man für Eigenwillen ausgab, zu prellen, und lockte ihn mit der Idee einer Gleichheit […] Denn Petz erkannte in diesen Tönen sehr gut die Pfeiffe des Bärenführers, der er nicht gerne vor ganz Europa nachtanzte, und verlangte keine andere als hausbackene Freyheit, so recht für seinen Hausbrauch; da er aber der neuen, nicht so goldschweren, folglich leichteren und lustigeren sich nicht ergeben wollte, so musste er schlechterdings genöthiget werden […] und so musste das arme Thier einmal sein rauhes kaltes Clima und die frische Bergluft gegen einen wärmeren, leichteren, undeutschen Himmel austauschen, für den er gar nicht geboren ist. […] Zuerst ward der ehrliche Petz in eine enge Kiste gesperrt, um ihm durch Bezähmung Freyheit und eine Sehnsucht nach dem bevorstehenden Glücke beyzubringen, die er doch nur nach dem verlornen äusserte. […] Seine ehemaligen Landsleute[…] scheinen ihm nicht haben begreiflich machen können. Dass alle die peinliche Noth, die er jetzt leiden müsse, nur provisorisch seye[…] Er schwand zusehends. Eine auszehrende Constitution, fremdartige Nahrung und Gram streckten ihn nieder. Dort erinnern seine Ueberbleibsel, vermischt mit den Gebeinen der Burgunder, an die nie wieder blühenden Tage der ruhmvollen Vorwelt. « (Walthard, 1798, Berner Tagebuch, Band 1, Seite 132-136) Die Vermenschlichung des Bären erinnert stark an eine Fabel, die dafür bekannt sind, dass Tiere für einen bestimmten Menschen oder eine soziale Gruppe stehen. Naheliegend ist also der Gedanke, dass Petz die Bürger von Bern symbolisiert und der Bärengraben die Stadt selbst vertritt. Nicht nur der Bär, sondern auch das stolze Volk lebte vor dem Einmarsch der Franzosen in «behaglichster Ruhe». Die Stadt, genauso wie der Bärengraben, stand damals noch nicht unter dem Zeichen eines Freiheitsbaumes, erlaubte seinen Bewohnern aber trotzdem zu tun und lassen was sie begehrten. Erst mit der Errichtung des «richtigen» Freiheitsbaumes wurde diese eigene Art der Autonomie zerstört und das Leben der Bürger verändert. Nun lebten sie unter der künstlich erzwungenen Freiheit der Franzosen. («Muss denn immer […] Freyheit auf Kosten des Glückes erkauft werden?», Zeile 9). Weniger versteckt bejammert Walthard die veränderte Stellung Berns. Eine Stadt, die früher für ihre Friedlichkeit und Neutralität bekannt war, wird jetzt plötzlich von einigen der Gegenrevolution beschuldigt. Es ist zu erkennen, dass Walthard nicht stolz auf das «neue Bern» ist, sondern sich seine Vaterstadt von früher zurück wünscht. Eine weitere interessante Aussage ist auf Zeile 10 zu finden: «Schade für ihn, dass er reich war!». Nicht nur Petz, sondern auch die Staatskasse von Bern wurde von den Franzosen mitgenommen. Heute ist bekannt, dass Napoleon mit den Geldern von Zürich und Bern seinen Ägyptenfeldzug finanzierte. Zwar fiel das gesamte Gebiet der damaligen Schweiz den Franzosen zum Opfer, doch ist anzunehmen, dass Bern vor allem wegen seines Reichtums im Visier Napoleons stand. Laut Walthard lebten er und seine Mitbürger, genauso wie Petz, in einer «heilen Welt», geschützt von den Stadtmauern, bzw. den Mauern des Bärengrabens. Unvorbereitet auf den Einmarsch hatten sie keinerlei Chancen, sich erfolgreich zu wehren (Zeile 18). Er vergleicht die Franzosen mit Reineke Fuchs, einer mittelalterlichen Fabelfigur, die sich durch Verstellungskünste, Schurkereien und Verbrechen auszeichnet. Durch ihn wurde der Bär seines eigenen Willens beraubt und man «lockte ihn mit der Idee einer Gleichheit». Dieser Gedanke wurde akzeptiert, da Petz, bzw. die Berner Bevölkerung, wussten, dass sie sich der französischen Herrschaft beugen mussten, weil Sträuben hoffnungslos gewesen wäre. Die Beschreibung der Deportation des Bären erinnert stark an den Untergang von Bern: «In eine enge Kiste gesperrt, um ihm durch Bezähmung Freyheit und eine Sehnsucht nach dem bevorstehenden Glücke beyzubringen […]» (Zeile 30). Dieses Einsperren gleicht dem Einmarsch der Franzosen, welcher Angst, Aufruhr und Tod mit sich brachte. Eine Situation, die für die Berner fremd und beängstigend war und in ihnen den Wunsch nach Frieden und Ordnung auslöste. Folglich würden sich die Freiheit und Revolution als Erlösung entpuppen bzw. als bevorstehendes Glück. Leider erreicht Petz seine Freiheit und sein Glück nicht mehr, sondern er stirbt auf dem Weg dorthin. Dies steht wohl symbolisch dafür, dass Walthard sowohl an einem guten Ausgang zweifelte («[…]erinnern […] an die nie wieder blühenden Tage der ruhmvollen Vorwelt.», Zeile 38), als auch am Willen und der Überlebenskraft seiner Mitbürger. Auf alle Fälle lassen sich seine bittere Enttäuschung sowie eine gewisse Scham über den Untergang des alten Bern aus diesem Artikel herauslesen.

Schluss

Auffallend sind der Aufwand und das Geschick, mit dem Walthard seine Sticheleien und seine Kritik versteckte. Wurde er tatsächlich deswegen über längere Zeit von der Zensur verschont, oder hätte er sich auch offensichtlichere und angriffigere Methoden leisten können? Was wäre geschehen, wenn Stapfer seinen Brief nicht geschrieben hätte? Hätte die Zensurbehörde nicht eingegriffen, und hätte Walthard mit seiner ersten Zeitung ungebremst weiterfahren können? Wäre er dann möglicherweise immer unvorsichtiger und direkter in der Äusserung seiner Kritik geworden (diese Tendenz fällt bereits in den vorhandenen Artikeln auf), was je nach dem eine viel grössere Bestrafung mit sich gebracht hätte? Hat Stapfer so gesehen Walthard sogar einen Dienst erwiesen, indem er ihn vor schlimmeren Konsequenzen bewahrte? Spannende Fragen, die sich mit dem heutigen Wissensstand und anhand der vorhandenen Quellen jedoch nicht eindeutig beantworten lassen. Es ist traurig, dass letztlich nicht die Zensurbehörde für die Einstellung von Walthards zweiter Zeitung verantwortlich war, sondern finanzielle Gründe. Walthard war offensichtlich kein guter Geschäftsmann und seine Zeitungen waren ein Verlustgeschäft, was ebenfalls für die These spricht, dass der Hauptzweck seiner Zeitungen tatsächlich darin bestand, die neuen Verhältnisse in Bern kritisch zu beleuchten. Dass der an sich lebensfrohe und gesellige Beat Ludwig Walthard im Jahre 1802 einsam und völlig verarmt starb, gibt seinem Leben letztlich auch eine tragische Note.

Elin Walthard, Kriens