Unsere Gesellschaft lässt zur Zeit einen Teil ihrer Archivalien fachgerecht restaurieren und konservieren. Frau Monika Lüthi Zingg, Konservatorin-Restauratorin SKR, gibt uns mit ihrem Beitrag einen Einblick in ihre spannende Tätigkeit.
Papier, Leder, Pergament und Textil sind die häufigsten Materialien, die in einem Zunftarchiv vorkommen. Diese organischen Materialien geben durch ihren Zustand und ihre Schäden Auskunft über Benutzung, Lagerung und ihre Geschichte. Um die Bearbeitungsmassnahmen verständlich zu machen, möchte ich vorerst die wichtigsten Schäden und deren Entstehung schildern.
Mechanische Schäden
Mechanische Schäden können unter anderem bei Überbeanspruchung des Materials durch Druck oder Zug entstehen, also bei jeder Handhabung. Um sie möglichst zu vermeiden, sind so lapidare Dinge wie eine sorgfältige Aufstellung und Handhabung der Bestände von grosser Bedeutung. Aus diesem Grund werden lose Archivdokumente in säurefreie Mäppchen eingelegt und zusammen in passende Archivklappschachteln umgelagert.
Biologische Schäden
Zu den biologischen Schäden gehören Schäden, verursacht durch Mikroorganismen, Insekten oder Nager. Mikroorganismen sind zum Beispiel Schimmel, Hefen und Bakterien. Für Archivmaterial sind die überall in der Luft schwebenden Mikroorganismen eigentlich unproblematisch, solange ihre Vermehrung nicht durch klimatische Bedingungen begünstigt wird.
Bei Temperaturen über 20 Grad Celsius und relativer Luftfeuchtigkeit über 65 Prozent – so wie es bei uns nach einem Sommergewitter der Fall ist – besteht bereits erhöhte Gefahr. Besonders gefährdet sind dabei Bestände, welche entweder im Keller oder im Estrich lagern, denn dort herrschen häufig grosse jahreszeitliche Klimaschwankungen oder dauernde Feuchtigkeit.
Auch das Aufstellen der Bestände in der Nähe von Wasserleitungen hat schon häufig zu katastrophalen Folgen bei einem Rohrbruch geführt.
Chemische Schäden
Der wichtigste Inhaltsstoff von Papier ist Cellulose. Textilfasern wie Baumwolle und Leinen – aus denen das so genannte Hadernpapier hergestellt wird – bestehen aus nahezu reiner Cellulose. Zellstoff dagegen ist chemisch aus Holz gewonnener Faserstoff. Durch chemische Reaktionen wie Oxidation, Dehydrierung und Hydrolyse verändern sich die physikalischen und mechanischen Eigenschaften der Cellulose. Diese Prozesse sind u.a. abhängig von Feuchtigkeit und Licht. Als Idealklima für papierene Kulturgüter gelten 45–50 Prozent relative Feuchte bei einer Temperatur von 18–20 Grad Celsius. Pergament ist das haltbarste aller Materialien, die für Grafik oder Bücher verwendet werden. Es ist im Kalkbad behandelte Tierhaut, die zum Trocknen aufgespannt wird. Leider wurde Pergament als Einbandmaterial oft zusätzlich auf der Rückseite mit Kalk oder Gips bestrichen, um seine Opazität zu erhöhen. Gips aber bewirkt ein Verspröden des Materials, so dass viele Pergamenteinbände heute im Bereich des Rückens eingerissen und aufgeplatzt sind. Bei jeder Benutzung entstehen neue Risse, die zum Absplittern und letztlich zum Substanzverlust führen.
Konservatorische Aufarbeitung
Angesichts der Menge der Archivalien – bei der Gesellschaft zu Zimmerleuten sind das 697 Signaturen – müssen rationelle, günstige und sichere Methoden zur Bearbeitung gefunden werden. So werden Risse und Fehlstellen an Einbänden und Papier mit bereits voreingefäbten Japanpapieren geschlossen. Diese aus einer japanischen Papiermühle stammenden Papiere weisen eine hohe Alterungsbeständigkeit und eine bei geringer Dicke doch sehr hohe Reissfestigkeit auf. Sie werden mit Hilfe von Erdpigmenten auf einige Grundtöne eingefärbt. So können aufwändige Retuschierarbeiten eingespart werden. Alle durchgeführten Klebarbeiten werden mit alterungsbeständigen und reversiblen Klebstoffen ausgeführt. Für die meisten Arbeiten wird frisch zubereiteter Weizenstärkekleister verwendet. Bei stärkeren Klebungen steht die so genannte Hausenblase, welche aus der Schwimmblase des Störs gewonnen wird, oder der Hasenleim zur Verfügung. Hasenleim ist ein Proteinleim, welcher aus Haut- und Knorpelteilen von Hasen bzw. heute Kaninchen hergestellt wird. Aus Zeit- und Kostengründen können nicht alle Schäden behoben werden.
Vielmehr gilt es auch hier auf Grund einer Schadensübersicht Prioritäten zu setzen. Der Bestand soll benutzbar sein, keine Gefahr für andere Magazinbestände darstellen (z.B. durch Schimmel oder Insekten) und vor Substanz- bzw. Informationsverlust geschützt werden. Aus diesem Grund werden Risse und Fehlstellen nur dort geschlossen, wo ein Einband verloren gehen könnte oder die Schutzfunktion nicht mehr gewährleistet ist. Bei Rissen und Fehlstellen an Archivalien und Dokumenten werden diese nur da geschlossen, wo eine direkte Gefahr von Informationsverlust droht. Schnitte und Risse beispielsweise, welche durch das Brechen von Siegeln verursacht wurden, gelten als historische Schäden, sind also zum Verständnis oder zur Lesbarkeit des Objekts wichtig und sollen nicht beseitigt oder unlesbar gemacht werden. Ausnahmen bilden die Briefe, bei denen der Schnitt an einer heiklen Stelle liegt und ein Teil des Texts bei weiterem Gebrauch weggerissen werden könnte.
Monika Lüthi Zingg, Konservatorin-Restauratorin SKR