Zum Zunftjubiläum 2014: Sieben Jahrhunderte Gesellschaft zu Zimmerleuten

Das Grosse Bott hat auf Vorschlag des Vorgesetztenbottes beschlossen, 2014 ein Zunftjubiläum durchzuführen. Wir feiern nicht die Gründung der Gesellschaft zu Zimmerleuten; denn es kann heute nicht mehr festgestellt werden, wann genau unsere Gesellschaft als Berufsorganisation der Berner Zimmerleute, Wagner, Küfer, Schreiner und Dachnagler entstanden ist. Wir feiern die erstmalige urkundliche Erwähnung eines holzverarbeitenden Berufsstands in den Stadtsatzungen von Bern vor sieben Jahrhunderten. 1314 haben sich die «winfasser», d.h. die Küfer, eines der in der Gesellschaft zu Zimmerleuten zusammengefassten historischen Berufe, zusammen mit anderen Burgern beim Rat über die Verunreinigung des Wassers des Stadtbachs durch die Gerber beklagt.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass nicht die Zimmerleute erstmals als holzverarbeitender Berufsstand erwähnt worden sind. Schliesslich haben die Zimmerleute auf den ersten Blick zur Stadtentwicklung einen weit bedeutenderen Beitrag geleistet als die Küfer, da die Häuser der Stadt Bern bis zum Grossen Stadtbrand von 1405 mehrheitlich aus Holz gebaut worden waren. Indessen waren die Zimmerleute, im Gegensatz zu den Küfern, nicht auf Wasser angewiesen waren, um ihren Beruf auszuüben. Die Küfer brauchen hingegen Wasser, um Holzfässer herzustellen und die Dauben in die richtige Form zu bringen. Dieses war zu Beginn des 14. Jahrhunderts wegen der Mitbenützung durch die Gerber offenbar dreckig und stinkend und schien mit Krankheitserregern versehen gewesen zu sein, was der Gesundheit der Stadtbevölkerung schadete. Die Folge dieser Klage war einerseits, dass die Gerber ihr Gewerbe lediglich ausserhalb der damaligen Stadt ausüben durften; andererseits führte dies offenbar zu einer massgeblichen allgemeinen Gesundung. So gesehen haben die Küfer vielleicht doch einen grösseren Beitrag zur Stadtentwicklung geleistet, als man dies auf den ersten Blick meinen könnte. Was wäre wohl passiert, wenn die Wasserqualität des Stadtbachs sich nicht gebessert hätte? Mani Matter hätte darüber sicher ein anschauliches Chanson schreiben können.

Wie die Geschichte zeigt, haben die Zünfte und Gilden in anderen in- und ausländischen Städten – soweit sie überhaupt noch bestehen – ihre ursprünglichen Aufgaben und ihre frühere Bedeutung als Berufsorganisationen weitgehend oder zumindest zu einem guten Teil verloren. Die Gesellschaften und Zünfte von Bern haben sich im Lauf der Zeit zwar von ihren ursprünglichen Aufgaben einer privaten Berufsvereinigung ebenfalls entfernt. Sie konnten dafür aber durchaus sinnvolle und berechtigte Aufgabe im öffentlichen Interesse übernehmen. Auch die Gesellschaft zu Zimmerleuten nahm – wie die übrigen Gesellschaften und Zünfte – seit der Gerichtssatzung von 1536 das frühere Vogtswesen, d.h. das Vormundschaftwesen bis Ende 2013, zugunsten von Witfrauen und minderjährigen Kindern wahr, ebenso seit der Bettelordnung von 1676 die Armenpflege, die heutige Sozialhilfe, für die in finanzielle Not geratenen Angehörigen der Gesellschaft. Durch diese teilweise jahrhundertalte Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben hat sich der rechtliche Charakter der Gesellschaften und Zünfte von Berufsorganisationen zu öffentlich-rechtlichen Körperschaften gewandelt, die durch die Kantonsverfassung und das Gemeindegesetz als solche anerkannt sind. Dies ist nicht selbstverständlich, sondern die Folge eines selbstbewussten Auftretens und der Bereitschaft, die Interessen der Gesellschaften und Zünfte – zusammen mit denjenigen der Burgergemeinden – namentlich gegenüber dem Kanton zu verteidigen, Verantwortung zu übernehmen sowie auch weiterhin öffentliche Aufgaben wahrzunehmen. Die Wahrnehmung öffentlich- rechtlicher Aufgaben durch die Gesellschaften und Zünfte als ehemalige Berufsorganisationen dürfte in der Schweiz und – allenfalls mit wenigen Ausnahmen – auch in Europa einzigartig sein.

Für die einen ist der Heimatort der eher bedeutungslose administrative Anknüpfungspunkt auf kommunaler Ebene, für die anderen der Ausdruck einer besonderen Verbundenheit zum Ort der familiären Herkunft oder zum Wohnsitz. In einer Welt mit einer zunehmend mobileren Bevölkerung, die zeitweilig ihren Wohnsitz sogar ausserhalb der Schweiz in Europa oder sogar auf einem anderen Kontinent hat, ist es wichtig, sich seiner Herkunft und seiner Wurzeln bewusst zu sein. Vor allem die Burgergemeinden, Gesellschaften und Zünfte als Personalgemeinden sind aufgerufen, identitätsstiftend gegen aussen und gegen innen tätig zu sein und den inneren Zusammenhalt ihrer Angehörigen zur entsprechenden Korporation und untereinander zu fördern und zu vertiefen sowie ihnen ein Gefühl der Verbundenheit vermitteln.

Die Klage der Küfer von 1314 soll zum Anlass genommen werden, diesem Aufruf zu folgen und im Rahmen des Zunftjubiläums 2014 durch die Durchführung verschiedener Festanlässe zum inneren Zusammenhalt beizutragen und das Zusammengehörigkeitsgefühl unserer Angehörigen zu stärken. Mit der Zunftstubete, welche am 24. Januar und am 1. Februar 2014 bereits stattgefunden hat, dem Festakt im Berner Münster mit anschliessendem Mittagessen im Kulturcasino Bern am 17. Mai 2014 und dem Familienfest mit einer Zeitreise in die Vergangenheit im Schloss Köniz am 23. August 2014 präsentiert das Vorgesetztenbott den Angehörigen der Gesellschaft zu Zimmerleuten ein Programm, von dem sich hoffentlich möglichst viele angesprochen fühlen.Über die verschiedenen Festanlässe werden wir im Übrigen in einer Sondernummer des Zunftbriefs im November 2014 kurz berichten. Wenn aufgrund des Zunftjubiläums die Verbundenheit zu unserer Gesellschaft dazu führt, dass nicht nur an den Festanlässen, sondern auch nach 2014 wieder vermehrt – und vor allem auch jüngere – Gesellschaftsangehörige an den Zunftanlässen teilnehmen, wäre dies sehr erfreulich. Das Zunftjubiläum hätte sein Ziel erreicht.

Das Jubiläumsjahr soll indessen nicht nur in Form verschiedener Festanlässe gefeiert werden. Das Vorgesetztenbott ist der Auffassung, dass das Zunftjubiläum auch zum Anlass genommen werden sollte, der Allgemeinheit ein nachhaltiges Geschenk darzubringen. Es lädt deshalb die Stimmberechtigten ein, im Hinblick auf das Grosse Bott vom 2. Mai 2014
in Form eines Ideenwettbewerbs mögliche Vorschläge für ein Jubiläumsgeschenk zu machen. Am Grossen Bott soll eine Konsultativabstimmung über die Vorschläge durchgeführt werden. Über die Ergebnisse der Konsultativabstimmung wird in der Sondernummer des Zunftbriefs berichtet werden. Es ist vorgesehen, dass das Grosse Bott vom 6. Dezember 2014 einen entsprechenden Kredit für das Jubiläumsgeschenk verabschiedet. Damit würde das Jubiläumsjahr einen würdigen Abschluss finden.

Mögen durch das Zunftjubiläum das Bewusstsein unserer Herkunft gefestigt werden sowie der innere Zusammenhalt wachsen und gedeihen und dadurch ein Fundament bilden für die zukünftige Entwicklung unserer stolzen Gesellschaft zu Zimmerleuten.

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