Unsere Wappentafeln im Zunftsaal

Unser schöner Zunftsaal aus den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts wird unter anderem von den beiden grossen Tafeln mit den farbigen Familienwappen dominiert. Auch in den Stuben der anderen Gesellschaften und Zünfte sind teilweise jahrhundertalte Wappendarstellungen zu besichtigen.

Im Mittelalter führten lediglich die Angehörigen des Adels ein Wappen. Im Laufe der Zeit begannen auch Bürgerliche ein Wappen zu führen. Im alten Bern übten die regimentsfähigen Familien öffentliche ämter aus, in denen die Amtsträger Dokumente siegeln mussten. Das Führen eines Wappens war deshalb eine Notwendigkeit. Auch im Bernbiet verwendeten Personen mit amtlichen Funktionen wie Amtsweibel oder Gerichtstatthalter ein Wappen. Aufgrund dieser historischen Entwicklung erachtet es die Burgergemeinde Bern nach wie vor als ihre Pflicht, über das Wappenwesen der burgerlichen Familien zu wachen. So ist es Aufgabe der Burgerkommission, sich auch mit der Heraldik zu befassen (Art. 68 Abs. 2 Bst. a der Satzungen der Burgergemeinde Bern vom 20.Juni 2018). Die Verordnung des Kleinen Burgerrates vom 8.Mai 2006 über die Eintragung im Wappenregister der Burgergemeinde Bern enthält dazu nähere Bestimmungen. Das Wappenwesen in der Burgergemeinde ist somit nicht eine private Angelegenheit, sondern öffentlichrechtlicher Natur.

In die Wappentafeln unseres Zunftsaales können nur Wappen aufgenommen werden, die im Wappenregister der Burgergemeinde eingetragen sind. Die beiden Tafeln sind beinahe gefüllt; einige wenige Warteschilder bestehen noch. Es fällt auf, dass lediglich die Wappen solcher Familien aufgenommen worden sind, die das Burger- und Zunftrecht durch Beschluss der Stimmberechtigten erworben haben. Die Wappen derjenigen Familien, die von einem ausländischen – oder durch die Bundesbehörden erleichtert eingebürgerten – Vater abstammen, sind bisher nicht in die Wappentafeln aufgenommen worden.

Dabei gilt, dass alle mündigen Burgerinnen und Burger, die das Burgerrecht neu erworben oder durch gesetzliche Vorschrift erhalten haben, ihr Familienwappen im Wappenregister eintragen und somit auch in die Wappentafeln aufnehmen lassen können. Indessen gilt Folgendes (vgl. Art. 4 der Verordnung über die Eintragung im Wappenregister): Jede Familie darf nur ein Wappen führen und ein bestimmtes Wappen darf nur von einer Familie geführt werden. Eine verheiratete Burgerin kann das Wappen ihres nichtburgerlichen Ehemannes oder ihr nichtburgerliches Familienwappen bei der Weiterführung des angestammten Familiennamens nicht eintragen und aufnehmen lassen.

Der Überblick über die Geschichte der burgerlichen Wappen zeigt, dass die Wappen keineswegs Jahrhunderte alt sein müssen, sondern dass viele Familien erst im Zusammenhang mit dem Burgerrechtserwerb ein Familienwappen annahmen.

Die Heraldik, d.h. die Kunde des Wappenwesens, ist zwar keine Geheimwissenschaft, unterliegt aber strengen Regeln und verwendet eine eigene Fachsprache. Ein Wappen besteht stets aus einem Metall (Gold, Silber) und aus einer oder mehreren Farben (Rot, Blau, Schwarz, Grün). Die Wappenschilder können geteilt oder gespalten sein und sie können so genannte Gemeine Bilder aufweisen wie beispielsweise Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge, Tiere, Bäume, Pflanzen, Himmelsgestirne usw. Der Phantasie sind hier fast keine Grenzen gesetzt.

Das Wappenwesen hat zwar historische Wurzeln. Es ist aber trotzdem nach wie vor aktuell. Die Wappen hatten – und haben auch heute noch – bei Familien die Funktion, die ein Logo bei einer Firma im Sinne einer modernen «corporate identity» wahrnimmt.

Wie kann man vorgehen, wenn man ein Wappen ins Wappenregister eintragen lassen will ?

  • Das Naheliegendste ist die Eintragung des heraldisch korrekten Wappens eines Vorfahren. Indessen musste dieser zur Führung des entsprechenden Wappens berechtigt gewesen sein.
  • Häufig ist die Annahme eines Wappens in Anlehnung eines bestehenden Wappens einer gleichnamigen Familie. Die Heraldik verbietet – wie erwähnt – die Führung eines unveränderten Wappens einer anderen Familie. Es ist deshalb notwendig, das entsprechende Wappen zu verändern, beispielsweise durch die Verwendung anderer Farben oder durch das Hinzufügen eines Sterns oder einer Blume (so genannte Brisüre).
  • Man kann indessen auch ein neues Wappen schaffen. Kriterien können dabei folgende sein: der Familienname (z.B. Handwerksgegenstände bei Familiennamen wie Metzger, Müller, Pfister, Schneider, Schuhmacher, Seiler oder Weber), der Beruf, der während Generationen in der Familie ausgeübt worden ist, oder die Herkunft der Familie (früherer Heimatort).

Massgebend für die verbindliche Festlegung eines Wappens ist die so genannte Blasonierung, das heisst die Beschreibung (zum Beispiel in Gold ein aufgerichteter roter Löwe), und nicht etwa eine bestimmte bildliche Darstellung eines Wappens. Eine solche kann sich im Lauf der Zeit nämlich ändern.

Die (Neu-) Schaffung eines Wappens sollte gut überlegt sein und nicht die Folge einer kurzweiligen Laune sein; schliesslich ist das Wappen etwas Dauerhaftes. Einige burgerliche Familien führen ihr Wappen bereits seit Jahrhunderten. Das Wappen muss gefallen. Es empfiehlt sich deshalb, mehrere Varianten (andere Farben, Spaltung, Teilung) zu skizzieren, bis man sich für einen Wappenentwurf entscheidet.

Die Burgergemeinde Bern hat unter http://www.bgbern.ch/service/wappenanmeldung weitere Informationen und ein Merkblatt aufgeschaltet.

Für die Aufnahme des Wappens in die Wappentafeln ist die Stubenmeisterin bzw. der Stubenmeister die Ansprechperson. Die anfallenden Kosten werden gemäss Beschluss des Vorgesetztenbottes durch die Zunft getragen.

Hans Georg, Träger des Wappens von Blau, mit einem ausgerissenen goldenen Nussbaum, beseitet von zwei goldenen Sternen.

Literatur: Berchtold Weber/Martin Ryser, Wappenbuch der Burgergemeinde Bern, Schriften der Burgerbibliothek Bern, Bern 2003.

Stand: Mai 2019